Weingebiet Tokaji

Tokaji im Zeichen der Wiedergeburt ...

 

Ein besonderes Weinbaugebiet

Im Jahre 1703 schenkte der Fürst Ferenc Rakóczi II. dem französischen König Ludwig der XIV. (der Sonnenkönig) zahlreiche Flaschen von seinem Tokajer Weingut. So erschien der Tokajer im Hof von Versailles, wo der Sonnenkönig mit folgenden Worten seiner Begeisterung Ausdruck gab: 

(Wein der Könige, König der Weine)

So fing der Tokajer an, Europa zu erobern und wurde der Lieblingstrunk von Peter dem Grossen, Katarina der Grossen, Friedrich II., Voltaire, Goethe und Schubert. 

Ein Jahrhundert lang war der Tokajer im Westen vergessen, ein Halbes verschwand die Region zudem hinter dem Eisernen Vorhang und damit von der Landkarte. 

Hochwertige Tropfen wie ein Szamorodni aus edelfaulen und normalen Trauben wurden im sozialistischen Paradies der Tauschwirtschaft zum Billiggesöff. Der Önologe (Kellermeister) der Rákóczi-Weinkellerei erzählt, dass man Szamorodni im Moskau der achtziger Jahre gegen einen Getränkebon bekam, billiger als Cola. „Tokaj war in den Achtzigern tot“, heißt es auf dem heute im schicken Design daherkommenden Disznókö-Weingut.

Die Weinberge von Hegyalja

 

Seit 2002 ist Tokaj Unesco-Welterbe, eine Auszeichnung, die weniger die siebenundzwanzig Orte des Anbaugebietes würdigt als dieses selbst mit seiner seit fast einem Jahrtausend lebendig erhaltenen Kulturtradition des Weinanbaus, seinen uralten Weingütern und Kellern; ganze Hügel und Anhöhen sind durchlöchert wie ein Schweizer Käse, so lange wird hier schon Wein angebaut.

 

Ein Blick tief in die Natur... 

Es ist eine komplizierte Geschichte mit diesem Aszú, der nur aus Trauben mit der Edelfäule Botrytis Cinerea gekeltert wird. Den Verursacher, einen Pilz, steuern im Herbst die beiden Flüsse mit Nebeln und Feuchtigkeit bei. Ein Aszú-Jahr sei ein Geschenk Gottes, sagen die Menschen am Bodrog, nicht jedes Jahr ist eines, doch man lebte lange gut davon.  Ausbruch heißt Aszú auf Deutsch, der Pilz lässt die Trauben aufplatzen, Saft tritt aus, die Beeren schrumpfen, nicht alle gleichzeitig, so dauert die Lese von Hand ihre Zeit. Bis tief in den November hinein werden die Rebstöcke in Abständen von Tagen mehrmals abgesucht, die Trauben in Butten von fünfundzwanzig Kilo gesammelt.

                               

                      25 Kg – Butte                     

 

Mühselig ist die Lese, mehr als fünfzehn Kilo am Tag schafft eine Person kaum. Wie Rosinen sehen die zucker- und extraktreichen Beeren aus. Den Trauben wird zur Mazeration (Einweichen)  gärender Most oder süßer Jungwein desselben Jahres zugesetzt, je nach Qualitätsstufe drei bis sechs Butten edelfaule Trauben auf ein Fass Most, das traditionelle Göncerfass. Bis zu achtundvierzig Stunden liegt der Wein auf der Maische, das bringt viel Zucker und Extrakt, aber auch schöne Säure. Dann wird gepresst und sehr lange im Fass vergohren. Tief unter der Erde reift der Wein mindestens zwei Jahre lang in Eiche, in der Flasche ein weiteres Jahr. Trinkfertig kommt er in den Handel, doch alt werden kann er, bis zu hundert Jahren. Köstlich, kostbar, kostenintensiv ist der Tokajer, und die Vermarktung ist nicht einfach.

Aszú – Flaschen mit zentimeterdickem Edelschimmel

 

In die Kellereien ist die Moderne eingezogen. Ein Besuch im Land des Aszú aber ist noch immer eine Reise in die Vergangenheit. Pferdefuhrwerke rumpeln Alleen entlang, barocke Kirchtürme dösen über verschlafenen Dörfern, altmodischen Bauerngärten, Maisfeldern und Rebzeilen. Hier und da ist ein Waldstück zu sehen, und allenthalben klappert es aus Storchennestern, von Schornsteinen und Telegraphenmasten, von Dachfirsten. Am Städtchen Tokaj ergießt sich der stattliche Bodrog in die breite, aus der Ukraine herbeiströmende Theiss. Weiher, alte Flussarme und Schilfgürtel säumen sie, die Störche kommen jedenfalls gut zurecht. Und die beide Flüsse tragen das Ihre zum Mikroklima bei. Im Frühjahr, wenn sie einen glitzernden See bilden, vierzig Kilometer lang und vier breit, reflektiert er wie ein Spiegel Sonnenlicht und Wärme an den Berg, die Reben sind dafür dankbar. Im Herbst steigen dann die Nebel auf, wabern durch die Weinberge und bescheren „das Geschenk Gottes“. 

Die Lese der Aszú-Beeren findet immer sehr spät statt: der traditionelle, ursprüngliche Lesebeginn war der 28. Oktober; während der letzten vier Jahrzehnte hat er sich jedoch immer mehr nach vorne verschoben, da man eine immer frühere Reifung der Beeren festgestellt hat. Nach der Lese werden die geschrumpften Aszú-Beeren auf der Traube aussortiert und in offenen Bottichen gesammelt. Die Beeren werden aufgearbeitet, indem sie in speziellen Maschinen zerquetscht werden; so entsteht der Aszú-Teig (Bezeichnung für die Trockenbeerenmaische); die Kerne dürfen dabei allerdings nicht zerquetscht werden, sie müssen ganz bleiben. Dann wird je nachdem, ob ein 3-, 4-, 5- oder 6-buttiger  Aszú-Wein bereitet werden soll, 1 Göncer Faß  Neuwein (Most/ Altwein) aufgegossen. Dieses Gemisch wird 12-48 Stunden lang regelmäßig umgerührt und dann werden die oben aufschwimmenden Kerne entfernt. Dann wird der Wein in traditionellen, aus Eichenholz gefertigten Göncer Fässern oder auch in bis zu 200 l großen Fässern im Weinkeller reifen gelassen. Bis vor kurzem mußte man den Aszú-Wein mindestens so viele Jahre reifen lassen, wie Butten aufgegossen wurden. In der Regel war die Reifezeit mit der Buttenzahl plus 1-2 Jahren bestimmt. Einen 5-buttigen Aszú beispielsweise ließ man daher mindestens 6-7 Jahre reifen. Nach dem neuen Weingesetz jedoch müssen alle Aszú-Weine, egal ob 3- oder 6-buttig, nur mehr 3-4 Jahre reifen. 

Etikett eines 5-buttigen Tokaji Aszú von 1998

 

Im Reifezustand wird der Wein schließlich auf die Flasche gezogen, wo er sich noch weiter verfeinert. Allgemein gilt: je höher die Buttenzahl, desto höher der Zuckergehalt und desto höherwertiger und haltbarer ist der Wein in der Flasche. Der Zuckergehalt beim 3-buttigen Aszú beträgt 60-90g/l, beim 4-buttigen  90-120, beim 5 buttigen  120-150, und beim 6-buttigen  150-180g/l. 

Der Alkoholgehalt der Aszú-Weine liegt bei etwa 13-14%. Der Tokajer Aszú ist ein sehr süßer, schwerer, aromatischer Wein mit Brot- und z.T. auch Schokoladegeschmack und Pfirsich-Johannisbrot-Aromen.  Er eignet sich sehr gut als Aperitiv oder für Vorspeisen (Gänseleber, Zuckermelonen), auch als Begleitung zu Gerichten wie Ente mit Pfirsich, Pute mit Apfel sowie zu Desserts.  Die empfohlene Serviertemperatur ist 12°C. Dieser Wein zeichnet sich auch durch seine Langlebigkeit aus: er kann in Flaschen verschlossen viele Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte ohne Qualitätseinbußen aufbewahrt werden.

  

      Der weltberühmte Rakoczi-Keller in Tokayi  

  

Tokajer Eszencia

Die seltenste und gleichzeitig auch teuerste Weinspezialität ist die Tokajer Essenz (Tokaj Eszencia). Sie wird ebenfalls aus Aszú-Beeren hergestellt, die in einen offenen Bottich gegeben werden; durch den Druck ihres Eigengewichtes ohne Pressung läßt man sie auslaufen, was ein sehr langsamer Prozeß ist. Die so gewonnene sirupartige, süße Flüssigkeit ist an sich schon die Essenz. Die Essenz weist einen außerordentlich hohen natürlichen Zuckergehalt von 250g/l auf.  Da die dickflüssige Essenz auch einen hohen Anteil an Spurenelementen und Vitaminen aufweist, wird sie traditionellerweise in Apotheken als Medikament ( Rekonvaleszenzmittel) verkauft; man findet sie meist in Medizinalflaschen mit der Aufschrift «Vinum Tokajense passum».